
Von klein auf wusste ich: Sollte ich einmal Kinder haben, möchte ich ihnen mit ganz viel Liebe begegnen. Nicht nur in großen Gesten, sondern in den kleinen Momenten des Alltags. Ich wollte sie mit einem offenen Herzen begleiten – ihnen Halt geben, ohne sie festzuhalten, sie sehen, ohne sie zu formen.
Seit ich selbst Mutter bin, hat sich mein Blick verändert. Auf die Welt. Auf mich selbst. Und besonders auf die Beziehung zur eigenen Mutter. Es ist, als hätte sich mit der Geburt meiner Kinder eine Tür geöffnet – zu all dem, was mich geprägt hat und zu einer Liebe, die unendlich und unverhandelbar ist.
Diese Liebe zu meinen Kindern erfüllt mich auf eine Weise, die Worte nur selten ganz fassen können. Sie bringt mich zum Staunen, zum Wachsen, zum Innehalten. In ihren Augen erkenne ich nicht nur sie – ich erkenne auch mich selbst, neu und tiefer als je zuvor.
Mit dieser Erfahrung hat sich auch mein Verständnis für meine eigene Mutter gewandelt. Plötzlich tauchen Erinnerungen auf, Fragen, neue Antworten. Gefühle, die ich lange nicht einordnen konnte. Ich sehe nicht nur, was war – ich beginne zu spüren, warum es so war. Und langsam entsteht Mitgefühl. Nicht nur für sie. Sondern auch für das Mädchen, das ich einmal war.
Die Mutter ist ein mächtiges Symbol. Teil unserer Wurzeln, ein Faden im Gewebe unserer Identität. Sie steht für die Verbindung zur Erde, zur Quelle allen Lebens. Sie erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind – getragen von etwas Ursprünglichem, das noch vor den Worten beginnt. Noch bevor wir sprechen können, entsteht eine Verbindung – über Herzschlag, Stimme, Berührung. Sie hinterlässt Spuren: in unseren Gedanken, in unserer Fähigkeit zu vertrauen, in unserem Umgang mit Nähe. Manches davon trägt, manches fordert heraus. Doch alles formt.
Unsere Mutter lehrt uns – durch ihr Tun, ihr Lassen, ihre Wärme, ihre Grenzen. Sie kann Quelle von Kraft sein, aber auch von innerem Zweifel. Gerade in dieser Ambivalenz liegt ihre Bedeutung: Sie zeigt uns nicht nur, wer sie ist – sondern auch, wer wir sind.
Selbst wenn sie nicht präsent ist, lebt sie weiter: in unseren Reaktionen, in der Art, wie wir trösten, lieben, zuhören. Sie wirkt – bewusst oder unbewusst – in unserem Alltag, in unseren Beziehungen, in unserem Innersten. Unsere Beziehung zu ihr ist niemals neutral. Sie berührt unser Herz – auf ihre Weise – jeden Tag.
Es liegt in unserer Hand, diesen Einfluss zu verstehen und neu zu gestalten. Nicht durch Schuldzuweisung, sondern durch ein ehrliches, liebevolles Hinschauen. Wenn wir aufhören, zu kämpfen oder zu suchen, beginnen wir, zu erkennen. Ihre Geschichte ist Teil unserer Geschichte. Mit Licht. Mit Schatten. Und mit der Möglichkeit, aus beidem etwas Eigenes entstehen zu lassen.
Nicht nur ein einzelner Tag im Jahr sollte dieser Verbindung gewidmet sein. Jeder Tag, an dem wir leben, lieben, uns erinnern oder neu entscheiden, trägt ihre Spuren.
Sie lebt weiter – nicht nur in der Erinnerung, sondern auch in unseren Entscheidungen.